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Virtual Reality in der Behandlung psychischer Störungen

Virtual Reality in der Behandlung psychischer Störungen

Mag. Dr. Anna Felnhofer und Mag. Dr. Oswald Kothgassner erklären was hinter dem Begriff "virtual reality" steckt und welchen Einsatz virtuelle Realitäten in der Psychologie und Medizin finden.


Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff "Virtual Reality"?

 

Im engeren Sinn bezeichnet der Begriff "virtual reality" (kurz: VR) eine computergenerierte, immersive und interaktive Umgebung, die meist über ein sogenanntes Head Mounted Display (HMD = eine VR-Brille) dargeboten wird. Natürlich lässt sich die Umgebung auch über andere Interfaces, wie z.B. ein CAVE oder einen simplen Desktop-Bildschirm darstellen, jedoch bietet das HMD den Vorteil, dass es das gesamte Gesichtsfeld abdeckt, im Regelfall auch mit Kopfhörern und einem Motion Tracking (Bewegungssensoren) versehen ist, was alles die Immersion bzw. das Eintauchen in die künstliche Umgebung begünstigt.

 

Wie funktioniert diese Technologie?

 

Die Wirksamkeit erklärt sich über die Immersivität der Technologie: Je mehr Sinne (z.B. auditiv, visuell, taktil) involviert sind, desto eher entsteht eine Täuschung. Zudem verstärkt sich das Erleben der Präsenz. Präsenz bezeichnet den Eindruck einer Person, sich tatsächlich in der virtuellen Umgebung zu befinden. Eine zentrale Eigenschaft der Präsenz ist, dass eine Person, wenn sie in der VR präsent ist, dort dieselben (emotionalen, physiologischen und behavioralen) Reaktionen zeigt, wie in einer vergleichbaren Realumgebung. Mit anderen Worten: wenn eine Person vor einer realen Spinne Angst hat, wird sie, wenn sie in der VR präsent ist, auch bei Konfrontation mit einer virtuellen Spinne eine Angstreaktion zeigen.

 

Wo findet Virtaul Reality in der Medizin bzw. im Bereich psychischer Erkrankungen Anwendung?

 

Traditionell haben VR meist in der Behandlung von Angststörungen (z.B. Spezifische Phobien wie die Tierphobie, Höhenangst, Flugangst oder auch soziale Phobie) erfolgreich Anwendung gefunden; bei diesen Störungen beruht die Behandlung meist auf dem Prinzip der Konfrontation (Exposition) mit dem angstbesetzten Stimulus (z.B. Spinne, Höhe, Flugzeug) und einer anschließenden Gewöhnung (Habituation) an die Angstreaktion. Da viele der Stimuli in einem konventionellen Behandlungssetting nur unter großem (finanziellen oder zeitlichen) Aufwand eingesetzt werden können, stellt die VR-Expositionstherapie eine wirksame und effiziente Lösung dar. Die VR-Umgebung unterliegt der Kontrolle des/der Behandelnden und kann auf die Bedürfnisse der PatientInnen adaptiv eingestellt werden (z.B. kann man die Distanz zum Boden oder auch die Größe und Anzahl der virtuellen Spinnen variabel steigern). Zusehends finden VR auch bei Personen mit Essstörungen, Zwangsstörungen oder auch bei Kindern mit diversen somatischen und psychischen Erkrankungen Anwendung. So kann VR in der Pädiatrie z.B. zur Ablenkung bei schmerzhaften Prozeduren (z.B. Blutabnahme, Verbandswechsel bei Verbrennungen) oder als Vorbereitung auf belastende diagnostische Untersuchung (z.B. MRT) verwendet werden.

Wir setzen die VR momentan an der Klinik (AKH Wien, MedUni Wien) als gezieltes Training für Kinder und Jugendliche mit ADHS ein, und entwickeln darüber hinaus auch eine an die Herzrate gekoppelte VR-Umgebung, die im Sinne eines hoch immersiven und interaktiven Biofeedbacks Entspannung trainieren soll.

 

Was braucht ein Psychotherapeut in Österreich, wenn er Virtual Reality anbieten will? Was kostet die Anschaffung?

 

Wenn man als Klinische/r PsychologIn oder PsychotherapeutIn in Österreich VR anbieten will, muss man generell einiges beachten: Zum einen soll es einen therapeutischen Mehrwert haben und in ein Behandlungskonzept eingebunden sein. Virtual Reality vorzugeben ohne solches Konzept wäre wenig sinnvoll und auch aus fachlicher Sicht zweifelhaft. Zum anderen ist es zu wenig, Erfahrung mit Computern zu haben, man benötigt ein technisches Know-how und vor allem Grundlagenwissen über die Technik, die man verwendet. Psychologisch-therapeutische Interventionen können Nebenwirkungen haben – wie ein Medikament, besonders wenn diese falsch oder unfachmännisch verwendet werden. Daher empfiehlt es sich, dass man sich dieses Wissen aneignet und auch praktische Erfahrung mit der technikgestützten Behandlungstechnik gewinnt, am besten unter Supervision. Vielfach ist es tatsächlich schwer zwischen Entertainment und Behandlung zu unterscheiden, Entertainment und Gamification gehören natürlich bis zu einem gewissen Grad dazu und sind herausragende Eigenschaften dieser Interventionstechnik, allerdings muss das Behandlungsziel immer im Vordergrund stehen. Hier empfiehlt es sich dieses auch immer wieder zu reflektieren und zu evaluieren.

 

Gibt es Workshops für Virtual Reality in Österreich?

 

Leider gibt es derzeit keinen uns bekannten regelmäßig stattfindenden Workshop. Gerne würden wir immer wieder einen anbieten, leider fehlt es oft an TeilnehmerInnen dafür. Das liegt zum einen an einer recht konservativen und vorsichtigen Einstellung der TherapeutInnen in Österreich, zum anderen aber klar auch daran, dass viele sich mit diesen Techniken zu wenig beschäftigen und sie anwenden ohne Grundlagenkompetenzen erworben zu haben.

 

Wo kann man sich als Patient schon in Österreich mit Virtual Reality behandeln lassen?

 

Derzeit gibt es eigentlich sehr wenige Angebote in Österreich, die Entwicklung dieser Therapien ist meist sehr kostenintensiv, und zudem gibt es scheinbar leider immer noch überraschend große Berührungsängste auf Seiten der TherapeutInnen und BehandlerInnen. Selbst wenn diese immer mehr einer Neugierde weicht, ist im Vergleich zu anderen Ländern wie den Niederlanden oder den USA noch viel aufzuholen.

 

*Mag. Dr. Anna Felnhofer (Medizinische Universität Wien, Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde), Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin, ist Gründerin und ehm. Leiterin des Virtual Reality Labors am Institut für Angewandte Psychologie der Universität Wien.

 

**Mag. Dr. Oswald D. Kothgassner (Medizinische Universität Wien, Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie), Klinischer- und Gesundheitspsychologe, ist Gründer und ehm. Leiter des Virtual Realiy Labors der Universität Wien.

Interview durchgeführt von Christina Neumayer / CredoWeb (redaktionelle Bearbeitung: Simona Ganeva); Hochhausbilder: Fotocredit © Hlavacs, Beutl

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