Artikel

Fetomaternale Medizin: Fragen & Antworten

Fetomaternale Medizin: Fragen & Antworten


Ein Experteninterview mit Priv.-Doz. Dr. Matthias Scheier aus Feldkirch. Dr. Scheier ist nicht nur Facharzt für Gynäkologie & Geburtshilfe, Arzt für psychotherapeutische Medizin & Allgemeinmedizin, sondern absolvierte eine Zusatzausbildung in Fetalmedizin und ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten zu dieser Thematik.


CredoWeb:
Was versteht man unter Fetomaternaler Medizin?

 

PD Dr. med. Matthias Scheier:

Fetomaternale Medizin beschäftigt sich mit der Mutter und dem ungeborenen Kind.

 

1958 beschrieb Ian Donald die erste Ultraschalluntersuchung bei schwangeren Frauen mit dem Kommentar, dass diese Technik seines Erachtens keine breite klinische Anwendung finden würde und nur für wissenschaftliche Zwecke nutzbar wäre. Wie wir wissen, hat er sich in diesem Aspekt grundlegend getäuscht.

 

Der Ultraschalluntersuchung von ungeborenen Kindern verdanken wir nicht nur zahlreiche Erkenntnisse über die gesunde und krankhafte Entwicklung des Feten, sie erlaubt uns darüber hinaus, manche Erkrankungen der Schwangeren und des Kindes zu vermeiden oder wenn sie aufgetreten sind, sie auch zu behandeln.


 


Zunächst standen diagnostische Aspekte im Vordergrund, was sich auch im Begriff „Pränataldiagnostik“ ausdrückte. Im Laufe der Jahre kamen jedoch zunehmend therapeutische und prophylaktische Aspekte hinzu, wie z.B.

 

 

  • die intrauterine intravasale Bluttransfusion1,
  • Verabreichung von Medikamenten an das ungeborene Kind,
  • Therapie des Zwillingstransfusionssyndroms2
  • intrauterine Operationen des offenen Rückens oder
  • die Prophylaxe der Präeklampsie3.

 

 

Dadurch hat sich die Pränataldiagnostik zur Fetalmedizin und in weiterer Folge zur fetomaternalen Medizin entwickelt.

 

 

CredoWeb: Wann ist/wird eine Schwangerschaft zu einer Risikoschwangerschaft?

 

 

PD Dr. med. Matthias Scheier: Durch die neuen Erkenntnisse wurde der Begriff Risikoschwangerschaft neu definiert. Es ist nicht mehr allein die Anamnese, die bestimmt, ob eine Schwangerschaft eine

Risikoschwangerschaft ist.

Durch die Umkehr der Pyramid of Care mit einer genauen Untersuchung möglichst früh in der Schwangerschaft wird eine Risikostratifizierung ermöglicht, die einerseits Risiken im früheren Niedrigrisikokollektiv erkennt, andererseits auch Risiken im früheren Hochrisikokollektiv ausschließt.

 

Ein Beispiel ist das Screening auf Trisomie 21. Früher zählten Frauen älter als 35 Jahre zur Gruppe mit einem erhöhten Risiko für Trisomie 21. Durch den Ersttrimestertest, welcher 1984 publiziert und im Laufe der Jahre stetig verbessert wurde, konnten bei vielen älteren Frauen ein niedriges Risiko festgestellt werden.

 


CredoWeb: Was hat sich in den letzten Jahren in diesem Fachgebiet getan?

 

 

PD Dr. med. Matthias Scheier:

 

Zu den wesentlichen Fortschritten in den letzten Jahren zählt die Prophylaxe der Präeklampsie. Diese Komplikation betrifft ungefähr 1 – 2 % der Schwangerschaften und erzwingt in Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung die vorzeitige Entbindung mit allen Folgen für die Mutter und vor allem für das Kind.

 

Die Präeklampsie gehört zu den sogenannten hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen. Zu den Symptomen gehören

 

  • Bluthochdruck,
  • und vermehrte Eiweißausscheidung im Urin.

 

Durch die Messung verschiedener Parameter in der 11+3 bis 13+6 SSW kann das Risiko für die Entwicklung dieser Erkrankung berechnet werden.

 

Ein erhöhtes Risiko für das spätere Auftreten der Erkrankung kann durch die prophylaktische Gabe von tgl. 150 mg Acetylsalicylsäure um bis zu 90 % reduziert werden.

 

Neben der durch den österreichischen Mutter-Kind-Pass festgelegten Schwangerenvorsorge ist dazu eine zusätzliche spezialisierte Untersuchung in der 12. bis 14. SSW erforderlich.

Nur durch diese Untersuchung kann ein erhöhtes Risiko für die Präeklampsie festgestellt und die

Prophylaxe eingeleitet werden.

 

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

Kommentare