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Genauer Mechanismus bei Serotonin-Transport in Nervenzellen erforscht

Genauer Mechanismus bei Serotonin-Transport in Nervenzellen erforscht

Studie zeigt neuen Ansatzpunkt für Antidepressiva mit weniger Nebenwirkungen auf

Als Antidepressiva bekannte Medikamente zielen auf den Serotonin Transporter in Nervenzellen ab und gehören zu den weltweit am häufigsten verschriebenen Arzneimitteln, sind aber mit teils erheblichen Nebenwirkungen behaftet. Eine Forschungsgruppe um Thomas Stockner von der MedUni Wien hat im Rahmen einer Studie die grundlegenden Prinzipien des Serotonin-Transports erkannt und damit eine mögliche Basis für die Entwicklung von zielgerichteten Medikamenten mit weniger unerwünschten Effekten geschaffen. Die Ergebnisse wurden kürzlich im renommierten Fachjournal „Nature Communications“ publiziert.

Während sich die gewünschten Effekte von Medikamenten durch die Wechselwirkung mit der jeweiligen Zielstruktur entfalten, sind die unerwünschten Nebenwirkungen vielfach auf mangelnde Selektivität und daher auf die Interaktion mit anderen Zielstrukturen zurückzuführen. Arzneimittel zu entwickeln, die zwischen den verschiedenen physiologisch relevanten Angriffspunkten (z. B. Transporter und Rezeptoren) unterscheiden können, stellt daher eine der Herausforderungen für die Forschung dar. Vor diesem Hintergrund machte sich ein Team um Ralph Gradisch unter der Leitung von Thomas Stockner vom Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien auf die Suche nach einem Weg, die Selektivität für den Serotonin-Transporter zu erhöhen und gleichzeitig die Interaktion mit anderen Nervenzellen im Gehirn zu reduzieren. In Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Marko Mihovilovic vom Institut für Angewandte Synthesechemie der TU Wien entdeckten die Forscher:innen durch die Synthese von dem Serotonin verwandten Molekülen grundlegende Prinzipien, mit denen der Serotonin-Transporter den Neurotransmitter Serotonin erkennt. Darüber hinaus entschlüsselten sie die Voraussetzungen, die zum Transport dieses Botenstoffs führen.


Mit Serotonin Emotionen regulieren

Neurotransmitter, auch Botenstoffe genannt, wirken als „Lieferdienste“ für Nachrichten zwischen Nervenzellen (Neuronen). Der Botenstoff Serotonin, auch als eines der „Glückshormone“ bekannt, wird mit positiven Emotionen in Verbindung gebracht, da er wesentlich an der Regulierung von Stimmungen und Gelassenheit beteiligt ist. Entsprechend steht ein niedriger Serotoninspiegel mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angstzuständen oder Zwangsstörungen in Zusammenhang. Medikamente, die auf den Serotonin-Transporter abzielen, gehören zu den weltweit am häufigsten verschriebenen Arzneimitteln. Die Blockierung des Serotonin-Transporters durch Serotonin-Wiederaufnahme Hemmer erhöht die Konzentration des Neurotransmitters im so genannten synaptischen Spalt zwischen Nervenzellen und kann dadurch den Patient:innen helfen, die Krankheitslast zu lindern.


Schritte bis ins kleinste Detail beschrieben

Die komplexen Schritte, die für den Serotonin-Transport erforderlich sind, wurden im Rahmen der Studie auf Einzelmolekülebene, also bis ins kleinste Detail, beschrieben. "Erst die gezielte Kombination von chemischer Synthese mit Methoden aus der experimentellen und der computergestützten Pharmakologie hat diese Forschungsergebnisse möglich gemacht" so Erstautor Ralph Gradisch. „Unsere Erkenntnisse offenbaren die Schlüsselkräfte und Wechselwirkungen, die hier am Werk sind, um den Transport von Serotonin einzuleiten. Damit könnte die Basis für neue Arten von Molekülen und in Folge Medikamenten geschaffen worden sein, die eine viel höhere Zielgenauigkeit als die derzeit verschriebenen aufweisen“, fasst Studienleiter Thomas Stockner die Relevanz der Ergebnisse zusammen.


Publikation: Nature communications
Ligand coupling mechanism of the human serotonin transporter differentiates substrates from inhibitors;
Ralph Gradisch, Katharina Schlögl, Erika Lazzarin, Marco Niello, Julian Maier, Felix P. Mayer, Leticia Alves da Silva, Sophie M. C. Skopec, Randy D. Blakely, Harald H. Sitte, Marko D. Mihovilovic & Thomas Stockner;
DOI: 10.1038/s41467-023-44637-6


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