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Interview mit Dr. Peter Ferenci: Behandlungsmöglichkeiten von Hepatitis C und Therapiealternativen

Interview mit Dr. Peter Ferenci: Behandlungsmöglichkeiten von Hepatitis C und Therapiealternativen

"Die Preise der neuen Hepatitis-Therapien sind mindestens um das Zehnfache überzogen – selbst wenn man die Investitionskosten und die Gewinnmargen berücksichtigt", meint Prof. Ferenci.

 

Schätzungsweise leiden in Österreich etwa 30.000 Menschen an Hepatitis C (Leberentzündung Typ C). Da die Infektion meist ohne Beschwerden verläuft, ist die Chance groß, dass sie unbemerkt bleibt. Wie kann die Erkrankung eigentlich verlaufen? Welche Behandlungsmöglichkeiten bestehen bereits und welche Alternativen bieten sich mittlerweile an? Was kostet ein Therapiekurs im EU-Vergleich? Diese und weitere Fragen zur Hepatitis C beantwortet Univ.Prof. Dr. Peter Ferenci von der Universitätsklinik für Innere Medizin III, Abt. Gastroenterologie und Hepatologie, der MedUni im AKH Wien im Interview.

 

 

Wie viele Menschen leiden in Österreich ungefähr an Hepatitis C?

Dr. Peter Ferenci: Ich würde die Schätzung ungefähr bei etwa 30.000 Menschen ansetzen, die österreichweit an Hepatitis C leiden. Allerdings weiß niemand genau wie viele Hepatitis-Patienten es in Österreich gibt – es gibt also keine genauen Zahlen dazu.

Stimmt es, dass es relativ schwer ist, Hepatitis C festzustellen?

Dr. Peter Ferenci: Nein, die Erkrankung ist ganz einfach festzustellen, da es seit etwa 20 Jahren einen Antikörpertest (Anti-HCV-Test) gibt, der heute fast nichts kostet und eigentlich breit eingesetzt werden kann. Dabei bestehen verschiedene Variationen – so zum Beispiel der blutlose Test, mit welchem man Hepatitis C über den Speichel bestimmen kann – die Testung per se ist also ganz einfach.

 

 Ist der Antikörpertest negativ, liegt wahrscheinlich keine Hepatitis C vor. 

Und wie sehen die Symptome der Erkrankung aus?

Dr. Peter Ferenci: Die meisten Leute haben überhaupt keine Symptome, sie fühlen sich gesund. Deshalb wird weltweit die Frage diskutiert, ob man gesunden Menschen Screenings anbieten sollte.

Wenn allerdings Symptome einsetzen, steckt schon eine fortgeschrittene Lebererkrankung dahinter – dann sind natürlich Symptome da, die mit Gelbsucht, Bauchwassersucht etc. einhergehen.

Viele Leute fragen nach Symptomen und es ist interessant, wenn man erfährt, dass man Hepatitis C hat – dann sagt man: „Aha, jetzt weiß ich warum ich müde bin!“, aber der Patient bzw. die Patientin hat zuvor nie über Müdigkeit geklagt.

Bedeutet das, dass die Symptome also ziemlich unspezifisch sind – wie eben Müdigkeit, Autoimmunstörungen, grippeähnliche Beschwerden usw.?

Dr. Peter Ferenci: Grundsätzlich hat jeder Mensch irgendwelche Beschwerden und solange man keine Erklärung dafür hat, lebt man mit diesen Beschwerden – bis man einen neuen Befund bekommt und man sich dann alles damit erklärt. Das ist in der Regel allerdings kein Beweis dafür – erst nach der Therapie, falls die Symptome verschwinden, kann man sich sicher sein, dass die Beschwerden durch die Krankheit bedingt waren. Aber es ist oft ja auch so, dass nach einer erfolgreichen Therapie die Symptome überhaupt nicht verschwinden – wenn die Patienten also aus ganz anderen Gründen zum Beispiel depressiv sind, bleiben sie selbstverständlich auch nach der Therapie depressiv.

 

Tückische Hepatitis C: nur 20% der Betroffenen spüren unspezifische Symptome wie verstärkte Müdigkeit und Abgeschlagenheit.

Wie stehen Sie der Kostenexplosion der Therapien gegen Hepatitis C – einem für die Krankenkassen immer größer werdenden Problem – gegenüber?

Dr. Peter Ferenci: Ich glaube, dass die teilweise exorbitant hohen Therapiekosten nicht gerechtfertigt sind, da die Produktionskosten für eine Behandlung keinesfalls extrem hoch sind – meiner Meinung nach ist das eine weltweite Lügenkampagne von den Menschen, die Aktien besitzen und damit Geld verdienen wollen. Es ist mittlerweile von dem amerikanischen Senat verhandelt worden, wo ganz klar gesagt worden ist, dass die Preise mindestens um das Zehnfache überzogen sind – selbst wenn man die Investitionskosten und die Gewinnmargen berücksichtigt. Die Pharmaindustrie funktioniert nach den Regeln der kapitalistischen Gesellschaft und hat demnach mit den sozialen Systemen Europas eigentlich nichts mehr zu tun. Ich glaube das sind Grundlagen-Diskussionen, welche geführt werden müssen, die weit über Hepatitis hinausgehen.

Auf wie viel belaufen sich derzeit die Kosten für Patienten im Monat?

Dr. Peter Ferenci: Das ist eine sehr gute Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. In jedem Land schweigt man über die Kosten, in Österreich kann ich es Ihnen gar nicht sagen, weil die Krankenkasse mit einer Firma einen Geheimvertrag geschlossen hat und die Medikamente der anderen Firma nicht bewilligt werden.

Es laufen Gerüchte, dass ein Therapiekurs in Österreich mit dieser einen Firma ungefähr 15.000 Euro kostet. Im Vergleich dazu beträgt ein Therapiekurs mit dem Konkurrenzpräparat etwa 40.000 Euro – zumindest im Apothekenabgabepreis.

Näheres über die realen Abmachungen des Hauptverbandes mit den einzelnen Industrien ist unbekannt – in Europa ist in jedem Land der Preis ein anderer. Portugal ist ein sehr schönes Beispiel dafür – dort hat die Regierung einen Vertrag mit dem Pharmaunternehmen „Gilead“ abgeschlossen, dass das Medikament nur in Krankenhäusern abgegeben werden darf und zwar um einen „Spezialpreis“ von etwa 11.000 Euro pro Therapiekurs. Wer das Medikament doch in der Apotheke kauft, kriegt es dort um 80.000 Euro – somit bekommen die Portugiesen mit portugiesischer Versicherung das Medikament im Spital relativ günstig. In Italien gibt es einen Massenrabatt, d.h. je mehr Patienten behandelt werden, desto niedriger werden die Kosten – es kann also sein, dass ein Therapiekurs für manche Patienten nur noch etwa 5.000 Euro kostet. Also über genaue Preise zu sprechen ist sehr, sehr schwierig.

Werden alle Patienten zur Therapie zugelassen? Nach welchen Kriterien wird das entschieden?

Dr. Peter Ferenci: In Österreich werden in erster Linie alle bzw. fast alle Zirrhotiker behandelt, fast alle Patienten mit F3 (fortgeschrittenes Stadium, Anm.d.Red.), auch F2 wird weitgehend behandelt, d.h. es bleiben die „milderen“ Fälle und Formen der Erkrankung übrig, bei welchen man behaupten kann, dass sie nicht so dringend eine Therapie brauchen, was medizinisch sogar weit vertretbar ist, menschlich aber absolut inakzeptabel ist.

Führt eine Hepatitis C, die nicht behandelt wird, in allen Fällen zu einem Leberschaden?

Dr. Peter Ferenci: Also die realen Daten, die in den 70-er Jahren publiziert worden sind und die sich keiner mehr anschaut, zeigen, dass von etwa 100 infizierten Menschen 5 bis 10 Prozent an der Hepatitis C sterben und rund 90 Prozent mit der Erkrankung leben, d.h. sie haben nie im Leben irgendeine Komplikation von Seiten der Hepatitis C. Das Problem ist, dass man sowas nicht voraussagen kann. Wenn ich Ihnen zum Beispiel sage: „Sie haben Hepatitis C“, werden Sie sagen: „Ich will es los werden, es gibt ja Behandlungen dafür“ – das ist es, was ich damit meine, wenn ich sage, dass es medizinisch durchaus nicht vertretbar ist alle zu behandeln, nur für das Individuum ist es inakzeptabel.

Hepatitis C ist eine Leberentzündung, welche mit der Zeit
 eine mehr oder weniger ausgeprägte Leberschädigung verursachen kann.

Das heißt es hängt doch von dem einzelnen Arzt ab, ob man das Glück hat in die Therapie zu kommen, oder nicht?

Dr. Peter Ferenci: Nein, also in Österreich ist es so geregelt, dass hier sowieso nur spezialisierte Zentren die Medikamente verschreiben dürfen und wir halten uns im Wesentlichen an die Vorschriften des Hauptverbandes. Ich glaube, dass es heuer soweit sein wird, dass wirklich alle behandelt werden können – und zwar aus dem simplen Grund, dass es zu einem dritten Anbieter kommt, die Konkurrenz wird also größer.

Und wie schaut es mit den Patenten für die Medikamente aus? Wie lange wirken sie?

Dr. Peter Ferenci: Die Patente dauern glaube ich siebzehn Jahre. Diesbezüglich ist es durchaus interessant, dass vor allem indische, aber auch ägyptische Firmen, dessen Patentrecht vom Staat nicht anerkannt wird, Produkte zum Spottpreis produzieren und komplette Therapiekurse bereits um 300 bis maximal 400 Dollar übers Web international anbieten. Beim letzten Leberkongress wurde eine australische Studie vorgestellt, im Rahmen welcher Medikamente aus China und Indien nach Australien importiert und getestet wurden und die schließlich zeigte, dass die Inhaltsstoffe dieser Medikamente praktisch nur Reinsubstanzen sind. Es wurde im Prinzip gezeigt, dass die Menschen, die diese Medikamente eingenommen haben, zu 95 Prozent geheilt waren. Derzeit werden im Internet etwa 1600 Dollar für einen solchen Therapiezyklus verlangt, was eigentlich sehr günstig ist. Im Web eröffnen sich mittlerweile verschiedene Alternativen zur Behandlung und hunderte verschiedene Webseiten bieten den Patienten Therapiekurse an.

Das wäre also eine Alternative für die Patienten in Osteuropa, wo sich das Gesundheitswesen in der Regel die Therapiekosten nur schwer leisten kann, oder? Wie schaut es in den östlichen europäischen Ländern diesbezüglich aus?

Dr. Peter Ferenci: Ich würde sagen, dass es überall sehr unterschiedlich ist und man kann es nicht einfach generalisieren. In Polen zum Beispiel gibt es ganz tolle Verträge und die Kosten sind nicht so hoch, in Deutschland hingegen ist es ganz teuer. Aber wie gesagt, in allen 28 EU-Ländern sind die Bedingungen anders.

 

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Redaktionelle Bearbeitung: Simona Ganeva / CredoWeb

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