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Prof. Dr. Hermann Stuppner: Erkältungssymptome pflanzlich lindern

Prof. Dr. Hermann Stuppner: Erkältungssymptome pflanzlich lindern

Welche Arzneipflanzen kommen bei Atemwegserkrankungen zum Einsatz? Univ.-Prof. Mag. Dr. Hermann Stuppner äußert sich zum Thema bei der Pressekonferenz zum 9. Europäischen Antibiotikatag (18. November), der für den rationalen Einsatz von Antibiotika plädiert – besonders bei Erkältungserkrankungen.


Die große Gruppe gängiger akuter Infektionen der oberen Atemwege ist für 75 Prozent der gesamten verschriebenen Antibiotika in Ländern mit hohem Einkommen verantwortlich. In vielen Fällen sind jedoch pflanzliche Arzneimittel wesentlich wirkungsvoller und nebenwirkungsärmer. Mittlerweile steht eine Vielzahl von evidenzbasierter Phytopharmaka zur Auswahl, deren Wirkung und Sicherheit nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern gut geprüft sind.

Prof.Dr. Hermann Stuppner
© privat

 

Bei Atemwegserkrankungen können verschiedenste pflanzliche Drogen allein oder in Kombination zum Einsatz kommen. Als besonders effektive Wirkstoffe gelten Saponine, Alkaloide, ätherische Öle und Schleimstoffe. Im Folgenden ist eine Übersicht über besonders gut untersuchte Pflanzen zusammengestellt.

 

 

 

Efeublätter

Efeublätter (Hedera helix) enthalten vor allem Saponine, Flavonoidglykoside, Phenolcarbonsäuren, Polyacetylene und ätherisches Öl. Komplexe Mechanismen vermitteln schleimlösende Effekte, eine Abnahme der Schleimviskosität sowie der Intensität und Frequenz von Husten und darüber hinaus auch eine Entspannung der bronchialen Muskulatur. Nach Auswertung zahlreicher klinischer Studien kam das Kommittee für pflanzliche Medizinprodukte (HMPC) der Europäischen Medizin-Agentur (EMA) zu dem Schluss, dass Hedera helix bei Erwachsenen mit chronischer Bronchitis in vergleichbarem Ausmaß die Hustensymptomatik verbessert wie das häufig eingesetzte synthetische Mittel Ambroxol. Studien mit Kindern zeigten, dass Efeublatt-Zubereitungen bei akuter Bronchitis ebenso wirksam sind wie Acetylcystein.

Thymian

Wesentliche Inhaltsstoffe von Thymiankraut (Thymi herba) sind ätherisches Öl, Flavonoide, Triterpene und Phenolcarbonsäuren. Sie wirken krampflösend, antibakteriell, antimykotisch, antiviral und entzündungshemmend. Laut EMA existiert keine akzeptable randomisiert-kontrollierte Studie zu Thymian als Monopräparat. Sehr wohl wurde Thymian jedoch in Kombination mit anderen Arzneipflanzen geprüft. Beispielsweise führte Thymian-Efeu-Hustensaft zu einer deutlichen Verbesserung von Husten, Sputum, Rasselgeräuschen, Atembeschwerden sowie Brustschmerz beim Husten im Rahmen einer Studie bei 361 Patienten mit akuter Bronchitis und Husten (Kemmerich B et al., Arzneimittelforschung. 2006;56(9):652-60).

Eucalyptus

Eucalyptus ist ein traditionelles pflanzliches Arzneimittel zur Linderung von Husten bei Erkältungen und laut ESCOP bei Erkältungskrankheiten der Luftwege indiziert. Eine Reihe von klinischen Studien  bestätigt die Wirksamkeit eines Kombinationspräparates aus ätherischen Ölen von Eukalyptusöl, Süßorange, Myrte und Zitrone bei Bronchitis und Rhinosinusitis. Die positiven Effekte sind auf eine Steigerung des Schleimabtransports, der Bekämpfung der Schleimhautentzündung sowie antimikrobielle Wirkungen zurückzuführen.

Spitzwegerich

Die in den Blättern von Spitzwegerich (Plantago lanceolata) enthaltenen Polysaccharide bilden eine schützende Schicht auf der Schleimhaut. Darüber hinaus besitzt die Pflanze antimikrobielle, immunmodulatorische und entzündungshemmende Effekte. In einer Anwendungsbeobachtung bei 593 Patienten im Alter zwischen ein und 88 Jahren bewirkte Spitzwegerich-Sirup in rund 70 Prozent der Fälle nach drei Tagen eine starke Besserung der Hustensymptomatik (Loew D. Phytopharmaka III: Forschung und klinische Anwendung, 1997. Steinkopff, Darmstadt).

Eibischwurzel

Die ebenfalls zu den Schleimdrogen zählende Eibischwurzel (Althaeae radix) eignet sich zur symptomatischen Behandlung von Schleimhautreizungen im Mund- und Rachenraum und damit verbundenem trockenen Reizhusten. Diese Effekte sind unter anderem durch Anwendungsbeobachtungen und Ergebnisse aus pharmakologischen Untersuchungen belegt.

Kombinationspräparate

Die schleimlösenden, antiviralen, antibakteriellen, sekretolytischen, entzündungshemmenden und immunmodulierenden Eigenschaften von Holunder, Schlüsselblume, Gelbem Enzian, Sauerampfer und Eisenkraut werden in dem pflanzlichen Fertigarzneimittel BNO 1016 synergistisch genutzt. Die Wirkung des Trockenextraktes ist bei akuter Rhinosinusitis gut dokumentiert.

Quelle: Hennrich.PR

Pflanzliche Präparate werden nicht nur in der Phytotherapie, sondern auch in der Homöopathie verwendet. Allerdings werden beide Bereiche von PatientInnen oft verwechselt. Deshalb fragten wir Prof. Dr. Hermann Stuppner:

CredoMedia: Wo liegt der Unterschied zwischen Phytotherapie und Homöopathie?

Prof. Dr. Hermann Stuppner: Der Unterschied ist ganz klar – Phytotherapie gehört zur Allopathie, das heißt, dass es bestimmte Regeln gibt – beispielsweise werden hoch dosierte Pflanzenextrakte verwendet, um bessere Wirksamkeit zu erzielen. In der Homöopathie ist es genau umgekehrt – in den Substanzen sind stark verdünnte Mengen an pflanzlichen Wirkstoffen enthalten. Hinter beiden Methoden steht also jeweils eine ganz andere Philosophie. Zudem gibt es in der Phytotherapie viel mehr klinische Studien, die die Wirksamkeit beweisen, was bei der Homöopathie nur teilweise der Fall ist, weil es einfach etwas schwieriger ist, die Methode auf wissenschaftliche Evidenz zu stellen. Nichtsdestotrotz bin ich durchaus auch ein Anhänger der Homöopathie – wir haben auch bei uns am Institut für Pharmazie der Universität Innsbruck eine Lehrveranstaltung in Homöopathie, weil das eine wichtige zusätzliche Ergänzung der Therapie von PatientInnen ist. Es gibt Indikationen, dass man mit der Homöopathie tolle Resultate erzielen kann.

CredoMedia: Vielen Dank!

Bildquelle: Eibisch (Copyright: © André Karwath)

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