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Behandlung von KrebspatientInnen in einer herausfordernden Zeit

Behandlung von KrebspatientInnen in einer herausfordernden Zeit

Ein Interview mit Oberarzt Dr. med. Christian Schauer, dem Präsidenten der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie

 

CredoWeb: Gibt es PatientInnen, die aufgrund der Corona-Pandemie, später als üblich einen Arzt aufsuchen und dadurch auch eventuelle später eine Diagnose erhalten?

 

OA Dr. Christian Schauer:

Ja, diese PatientInnen gibt es zweifelsohne.

 

Es ist eine große Verunsicherung da, da viele Ordinationen gesperrt und Routineuntersuchungen untersagt wurden.

 

Das heißt, es sind alle PatientInnen, die keine akuten Schmerzen oder lebensbedrohliche Zustände haben, derzeit auf die Wartebank geschoben.

 

Aufgrund dessen kommt es auch zu verspäteten Diagnosen und auch zu Unsicherheiten, die wir jetzt bereits merken.

 

 

CredoWeb: Haben Sie die Organisation der PatientInnen-Behandlung aufgrund der aktuellen Situation geändert?

 

 

OA Dr. Christian Schauer:

 

In der Praxis mussten wir das ändern und haben alle Routine-Termine abgesagt.

Außerdem müssen alle Patientinnen bei mir in der Ordination mit Mund-Nasen-Schutz kommen.

 

 

Auf der anderen Seite bin ich als AGO-Präsident, zuständig für gynäkologische Krebserkrankungen.

 

 

Auch hier haben wir die Behandlungen geändert:

 

  1. Pflicht für den Mund-und-Nasen-Schutz
  2. Schreiben der AGO (= Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie), welches in ganz Österreich für die Kollegschaft aufliegt, wie man Tumorpatientinnen behandeln soll

 

CredoWeb: Krebspatienten zählen ja zu den Risikogruppen. Welche zusätzlichen Schutzmaßnahmen müssen deshalb in den Ordinationen befolgt werden?

 

 

OA Dr. Christian Schauer:

Hierzu wäre es einmal wichtig festzuhalten, dass es derzeit keine verlässlichen Hinweise gibt, dass PatientInnen mit einer Krebserkrankung, aufgrund ihrer Erkrankung, ein höheres COVID-19-Erkrankungsrisiko haben als die Normalbevölkerung.

 

 

Jedoch dürften ältere Personen ein höheres Risiko haben und dazu gehören auch viele KrebspatientInnen, insbesondere die, welche

 

  • eine chronische Lungenerkrankung,
  • kardiovaskuläre Erkrankungen,
  • Diabetes,
  • chronische Nierenerkrankungen und/oder
  • eine aktive Krebserkrankung

 

vorliegt.

 

 

 

Die aktive Krebsbehandlung und somit ein durchaus erhöhtes Risiko haben folgende PatientInnen:

 

  1. Patientinnen, welche unter laufender Chemotherapie sind oder einen Abschluss ihrer Chemotherapie innerhalb der letzten 3 Monate hatten.
  2. Patientinnen die eine ausgeprägte Strahlentherapie erhalten,
  3. Patientinnen, die eine ausgeprägte Leukozytopenie (= verminderte Anzahl an weißen Blutkörperchen) haben,
  4. Patientinnen die eine lang-anhaltende Immunsuppression erhalten haben (= Steroideinnahme, sprich Cortison).

Die Gabe von Immuntherapien dürfte primär keinen Risikofaktor darstellen, kann jedoch sekundär durch pulmonale Nebenwirkungen oder längere Steroidgaben aufgrund von Nebenwirkungen das Risiko erhöhen. Hier sollte im Einzelfall der Nutzen-Risiko-Faktor mit der Patientin besprochen werden.

 

Dann sollte bei Neudiagnosen eine generelle Priorisierung dieser Patientinnen erfolgen, die aufgrund der Neudiagnose eine OP oder andere jeweilige Therapie benötigen.

Außerdem sollen adjuvante Systemtherapien, die im Rahmen einer Primärtherapie stattfinden, priorisiert werden.

 

Fallbezogen sollte auch immer bei Erhaltungstherapien eine Nutzen-Risiko-Abwägung mit der Patientin abgewogen werden und im Notfall auch die Option einer Therapiepause in Erwägung gezogen werden.

 

Bei palliativen Patientinnen, also jenen Patientinnen die eine palliative Chemotherapie oder eine andere palliative Betreuung erhalten, sollten wir ebenso das Nutzen-Risiko-Verhältnis für die Patientin abwägen und klären, ob ein stationärer Aufenthalt notwendig ist oder ob die Behandlung auch durch mobile Dienste erfolgen kann.

 

 

Wichtig ist die Minimierung des Spitalsaufenthaltes für jene Leute. Hier sollte man auf die maximale Ausschöpfung einer telefonischen Visite oder einer telemedizinischen Betreuung setzen.

 

 


Auch eine Umstellung der Therapieschema zB von wöchentlich auf 3-wöchentlich oder 4-wöchentlich, wenn das onkologisch vertretbar ist, ist möglich.

Einen Leitfaden, wo all diese Punkte aufgelistet sind, haben wir an alle Zentren ausgesandt, welche KrebspatientInnen behandeln. (= finden Sie als Datei in diesem Artikel weiter unten)

Gleichzeitig haben wir auch für die Patientinnen ein Informationsschreiben verfasst, in dem diese Dinge zusammengefasst sind.  (= finden Sie als Datei in diesem Artikel weiter unten)

 

CredoWeb: Ist es bereits zu Engpässen bei der Medikamentenlieferung für KrebspatientInnen gekommen bzw. wird das möglicherweise passieren?

 

 

OA Dr. Christian Schauer:

Es gibt tatsächlich Länder, wo genau das passiert ist, aber hier in Österreich, meines Wissens noch nicht!

 

Interview: Christina Neumayer/CredoWeb

 

ANHÄNGE

AGO info COVID19 betreuung.pdf
AGO Patinfo gynOnko.pdf

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