Artikel

Stellenwert der Arzneipflanzen in der evidenzbasierten Medizin

Stellenwert der Arzneipflanzen in der evidenzbasierten Medizin

Mein Statement bei der Pressekonferenz zum Thema "Arzneipflanze 2017" (15.02.2017 / Wien).


Bis ins vorige Jahrhundert wurden in Europa Krankheiten fast ausschließlich mit
pflanzlichen Heilmitteln bekämpft. Die Entwicklung synthetischer Arzneimittel ließ sie
ein wenig in Vergessenheit geraten – zu Unrecht. Denn aktuelle Forschungsergebnisse
belegen, dass Phytopharmaka auch heutzutage einen wichtigen Stellenwert
verdienen.


Während sich alte ganzheitliche Gesundheitslehren wie Ayurveda oder Traditionelle
Chinesische Medizin (TCM) großer Beliebtheit erfreuen, wird häufig vergessen, dass es auch eine Traditionelle Europäische Medizin (TEM) gibt. Diese besitzt ebenfalls eine lange Geschichte – wie etwa Schriften aus dem ersten Jahrhundert n.Chr. vom griechischen Arzt Pedanios Dioskurides, Berichte der Klostermedizin und alte Arzneipflanzenbücher belegen. Jahrtausende lang wurden Leiden und Krankheiten nahezu ausschließlich mit pflanzlichen Arzneimitteln behandelt. Und auch wenn sie nach der Entwicklung synthetischer Substanzen in den Hintergrund gedrängt wurden, hat es in den letzten Jahrzehnten intensive Forschungstätigkeiten zu Arzneipflanzen gegeben. So wurden u.a. neue Wirkstoffe isoliert und pharmakologische Wirkmechanismen aufgeklärt. Laufend werden dazu neue wissenschaftliche Erkenntnisse in renommierten Journalen publiziert.

Hochwirksamer Arzneistoffcocktail
Die verwendeten Pflanzen bzw. die daraus gewonnenen Zubereitungen enthalten nicht nur eine einzelne Wirksubstanz – wie etwa bei einem synthetischen Arzneistoff –, sondern eine Mischung vieler Substanzen. Diese Kombination bewirkt durch teilweise unterschiedliche pharmakologische Angriffspunkte in ihrer Gesamtheit die gewünschten positiven Effekte. Darüber hinaus können auch verschiedene Arzneipflanzen kombiniert werden, wodurch die Wirkung noch synergistisch verstärkt werden kann. Daher steht zur Behandlung verschiedenster Erkrankungen eine breite Palette zugelassener pflanzlicher Arzneimittel zur Verfügung.

Ungerechtfertigte Kritik
Ihre Wirksamkeit wird von Kritikern immer wieder angezweifelt – völlig zu unrecht. Denn: Für jedes hierzulande auf dem Markt befindliche Arzneimittel – unabhängig ob synthetischer oder pflanzlicher Natur – muss laut österreichischem Arzneimittelgesetz und gemäß internationalen Richtlinien der Nachweis der Wirksamkeit, der Unbedenklichkeit und der pharmazeutischen Qualität in der definierten Indikation erbracht sein. Grundsätzlich gibt es für pflanzliche Arzneimittel verschiedene Formen der Zulassung, jeweils beruhend auf wissenschaftlicher Evidenz.

  • Neuzulassung: Für die Zulassung eines völlig neuen Präparates müssen doppelblinde, randomisierte klinische Studien sowie pharmakologische und toxikologische Studien durchgeführt werden. Die pharmazeutische Qualität ist ebenfalls zu belegen.
  • Well established use („Allgemeine medizinische Verwendung“): Diese Form kann für Wirkstoffe angewendet werden, die bereits mindestens zehn Jahre auf dem Markt sind und deren Patentschutz abgelaufen ist. Für solche Arzneistoffe existieren bereits publizierte klinische Studien, für die Zulassung kann auf diese bibliographischen Daten zurückgegriffen werden. Unbedenklichkeit und pharmazeutische Qualität müssen belegt werden.
  • Traditional use: Für sogenannte traditionelle Arzneimittel sind keine klinischen Studien zur Registrierung erforderlich. Sie müssen über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren in Anwendung stehen, davon mindestens 15 Jahre in der Europäischen Union. Das heißt, dieses Arzneimittel wurde über einen langen Zeitraum in dieser Form zur Behandlung bestimmter Krankheiten verwendet. Die Wirksamkeit hat sich als plausibel erwiesen und es wird auf diese medizinische Erfahrung vertraut. Die Unbedenklichkeit wird meist ebenso über bibliographische Daten nachgewiesen, nötigenfalls auch noch durch zusätzliche Tests gestützt. Die pharmazeutische Qualität ist zu belegen.

Fazit
Gut geprüfte, evidenzbasierte Phytopharmaka haben ihren festen Platz im Arzneimittelsortiment. Wirksamkeit und Sicherheitsaspekte sind in klinischen, teilweise randomisierten und placebokontrollierten Studien wissenschaftlich überprüft bzw. die Plausibilität der Wirksamkeit in der traditionellen Anwendung erwiesen.
Daher sollten pflanzliche Arzneimittel den ihnen gebührenden Stellenwert bekommen. Die Herbal Medicinal Products Platform Austria (HMPPA) hat sich vor diesem Hintergrund entschlossen, in Hinkunft eine Arzneipflanze des Jahres zu küren, zu der aktuell besonders interessante bzw. neue wissenschaftliche Erkenntnisse publiziert wurden.

Quelle: Hennrich.PR - Agentur für Gesundheit & Kommunikation

Kommentare